Bundesregierung hat keinen Überblick über Verschlusssachen

Die Bundesregierung kann nicht sagen, wie viele Dokumente sie in den vergangenen Jahren zu Verschlusssachen erklärt hat.

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Rednerpult im Bundeskanzleramt (Archiv)
Rednerpult im Bundeskanzleramt (Archiv) | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Berlin. Die Bundesregierung kann nicht sagen, wie viele Dokumente sie in den vergangenen Jahren zu Verschlusssachen erklärt hat. Das ergab eine Anfrage der "Welt am Sonntag" bei allen Bundesministerien. Demnach werden Verschlusssachen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe "Nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD) in keinem Ressort statistisch erfasst.


Nur sechs Ministerien konnten für den Zeitraum seit 2020 Zahlen zu den nächsthöheren Stufen "Vertraulich" (VS-Vertr.) und "Geheim" (Geh.) nennen: Das Verteidigungsministerium (BMVg) hat bis einschließlich 29. April dieses Jahres insgesamt 11.628 Dokumente als "VS-Vertr." oder "Geh." eingestuft, davon überdurchschnittlich viele in 2022 (3.580).

Das Innenministerium (BMI) meldet 502 Neueinstufungen, das Umweltministerium zwölf. Im Gesundheitsministerium wurden 2021 und 2023 jeweils fünf Dokumente als "VS-Vertr." und 2022 eines als "Geh." eingestuft, im Entwicklungsministerium nur 2024 eines als "VS-Vertr." Das von der Ampel-Koalition neu gegründete Bauministerium hat bislang keine "Vertraulich" oder "Geheim"-Einstufungen vorgenommen.

Hinsichtlich der höchsten Stufe "Streng Geheim" teilte das Verteidigungsministerium mit, diese jährlich in einer "sehr niedrigen zweistelligen Anzahl" zu vergeben.

Dabei war die Ampel-Koalition mit einem Versprechen von mehr Transparenz angetreten, wollte sogar eine "unabhängige Kontrollinstanz für Streitfragen bei VS-Einstufungen" einführen. Passiert ist bislang aber nichts.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, wirb trotzdem weiterhin für das Vorhaben. "Es ist klar, dass als Verschlusssachen eingestufte Informationen der Öffentlichkeit nur so lange vorenthalten werden dürfen, wie staatliche Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen", so Thomae. "Wir brauchen Geheimschutz, aber keine Geheimniskrämerei."

Aktuell kontrolliert die Regierung nicht regelmäßig für alle Verschlusssachen, sondern nur "anlassbezogen", ob eine Einstufung vorzeitig aufgehoben werden kann. Die Regelfrist für Einstufungen beträgt 30 Jahre. Zuletzt hatte der Bundesrechnungshof das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dafür kritisiert, den Geheimschutz missbraucht zu haben, um politisch brisante Unterlagen zu Maskenkäufen und der Vergabe der Impfkampagne "Ich schütze mich" zu verstecken.


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