DRK-Urgestein Hansjörg Jentsch geht in den Ruhestand


Hansjörg Jentsch in frühen Jahren am Schreibtisch. Foto: DRK
Hansjörg Jentsch in frühen Jahren am Schreibtisch. Foto: DRK

Wolfenbüttel. Hansjörg Jentsch prägte gut 35 Jahre lang den Rettungsdienst in Wolfenbüttel. Er hat den Übergang vom einfachen Krankentransport zum modernen DRK-Rettungsdienst von Anfang an miterlebt und in enger

Zusammenarbeit mit dem Landkreis mitgestaltet.

Jetzt geht der 65-Jährige in den Ruhestand und übergibt das Kommando an Andreas Richter.

Angefangen hat die Erfolgsgeschichte von Jentsch eher zufällig. Mit dem zweiten Staatsexamen in der Tasche, fand der junge Lehrer 1980 keine Festanstellung im niedersächsischen Staatsdienst. „Meine Fächer waren
damals nicht gefragt“, erinnert sich der Wolfenbütteler heute. Über das Arbeitsamt kam er im Januar 1981 zum DRK Wolfenbüttel und wurde als Krankentransportfahrer angestellt. „Voraussetzung damals: ein Erste-Hilfe-Lehrgang und die Erlaubnis zur Personenbeförderung“, erinnert sich Jentsch.

Zufall brachte Jentsch zum DRK


Im Nachhinein war dieser Zufall ein absoluter Glücksfall für beide Seiten. „Mich hat der 'Virus Rettungsdienst' ganz schnell gepackt. Direkte Hilfe zu leisten und die Dankbarkeit, die man erfährt – das ist unbezahlbar“, sagt Jentsch. „Ich erlebe das gleiche Empfinden heute bei der Vielzahl unserer Mitarbeiter.“ Dabei dürfe man nicht vergessen, so Jentsch nachdenklich, „ welche Entbehrungen diese Berufsqualifikation für das Privatleben verlangt: ungünstige und lange Arbeitszeiten, bisher wenig Anerkennung in der Öffentlichkeit, obwohl die Tätigkeit von großer Kompetenz und Verantwortung geprägt ist. Das Thema zunehmender Gewalt gegen Einsatzkräfte, die ja nur helfen wollen, möchte ich gar nicht weiter ausführen - es wird uns aber in Zukunft immer stärker beschäftigen.“

1978 schon beauftragte der Landkreis den DRK-Kreisverband Wolfenbüttel, den Krankentransport zu übernehmen. Vorher war dies eine freiwillige Aufgabe gewesen. Den Aufbau des modernen Rettungsdienstes prägte dann maßgeblich Jentsch. Er kümmerte sich etwa um die Anschaffung des ersten Rettungswagens für die damals
einzige Rettungswache – Wolfenbüttel im Rosenwinkel.

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Der DRK-Stützpunkt Im Rosenwinkel. Foto: DRK


Der nächste Meilenstein war die Stationierung des Rettungshubschraubers Christoph 30. Jentsch erinnert sich gut an den ersten Einsatz, den er von der DRK-Rettungsleitstelle aus koordinierte. „Es ging dabei gleich um

Leben und Tod. Ein kleiner Junge war in der Nähe von Schöppenstedt in einen Futtersilo gefallen. Den Einsatz hat als Notarzt der damalige Chefarzt der Anästhesie, Dr. Christian Nommel, selbst geflogen. Er konnte
dem Kind – dank der Schnelligkeit dieses wertvollen Rettungsmittels – in letzter Minute helfen. Das erfuhr ich aber erst nach dem Einsatz“, so Jentsch weiter. In der Zwischenzeit hatten ihn schon Überlegungen
geplagt, ob der kostspielige Hubschrauber-Einsatz gerechtfertigt war. „Dann erhielt ich die erlösende Rückmeldung von Dr. Nommel, der mich ausdrücklich für meine Entscheidung lobte.“

Jahrhunderthochwasser als negtiver Höhepunkt


Ungern erinnert sich Jentsch hingegen an das Jahrhundert-Hochwasser 2002. Es hatte auch Wolfenbüttel schwer erwischt. Die Straßen standen unter Wasser, die Kommunikation zwischen den Einsatzkräften und der Leitstelle
funktionierte witterungsbedingt schlecht. „In dieser Situation war Andreas Bittner, ein erfahrener und besonnener Helfer von der Schnelleinsatzgruppe (SEG) im Einsatz." Ganz Niedersachsen nahm später Anteil an dem Drama: "Er kam mit seinem Fahrzeug im Hochwasser von der Straße ab und prallte gegen einen Baum“, erzählt Jentsch bedrückt. DRK-Mann Bittner kam dabei ums Leben.

Der Ausbau des Rettungsdienstes ging 1993 sprunghaft voran. Das Niedersächsische Rettungsdienst-Gesetz trat in Kraft. „Das hat einen Sprung in der Versorgungsqualität für den Landkreis Wolfenbüttel gebracht“, so Jentsch. Städten und Landkreisen wurde der Rettungsdienst als Pflichtaufgabe zugewiesen. Außerdem wurden im Gesetz und in Verordnungen verbindliche Standards festgelegt. Doch innerhalb der neuen Eintreffzeit schafften es die Notfallfahrzeuge aus der Stadtwache nicht bis zu weiter entfernten Landkreisgebieten. "Also wurde es erforderlich, zusätzliche Rettungswachen einzurichten." Das geschah damals in enger Zusammenarbeit
zwischen dem Landkreis, den Krankenkassen und dem DRK. Die Wachen entstanden in Schöppenstedt und Dorstadt (heute Heiningen).

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Die Besatzung vor der ehemaligen Rettungswache, stehend Dritter von rechts ist Hansjörg Jentsch. Foto: DRK


Seit 2005 hat der Rettungsdienst sein Qualitätsmanagement durch die Dekra nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. „Das heißt, dass alle Abläufe bei uns geregelt sind, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelebt werden und hohe Qualitätsstandards erfüllen. Jedes Jahr gibt es ein Überwachungsaudit, alle drei Jahre erfolgt die vollständige Rezertifizierung.“, erläutert Jentsch. Rückblickend ist der scheidende Rettungsdienstleiter froh, „das alles miterlebt und mitgestaltet zu haben. Ich denke, ich kann meinem Nachfolger einen modernen und funktionierenden Rettungsdienst überlassen“, sagt Jentsch nicht ohne Stolz.

Über Andreas Richter, der am 1. Januar das Ruder übernimmt, sagt Jentsch: „Er bringt frischen Wind mit und hinterfragt viele Prozesse, die für uns selbstverständlich sind. So ist ihm bereits Optimierungspotenzial an der ein oder anderen Stelle aufgefallen. Ich bin davon überzeugt, dass der DRK-Rettungsdienst bei ihm in sehr guten Händen sein wird.“ Der 41-jährige Würzburger erklärt, er habe sich für die Einarbeitung keinen besseren als Jentsch vorstellen können: „Er ist sehr geduldig“, sagt Richter über den ausgebildeten Pädagogen.

Der neue Rettungsdienstleiter will die Arbeit seines Vorgängers fortführen. „Ich übernehme einen perfekt funktionierenden Betrieb und möchte die hohen Standards weiterentwickeln“, sagt der 41-Jährige, der mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der Notfallrettung beim Bayrischen Roten Kreuz mitbringt sowie einen Abschluss im Gesundheitsmanagement. Auch die gute Zusammenarbeit mit den Partnern – etwa dem Klinikum und dem
Landkreis – möchte Richter beibehalten. Eine künftige Kernherausforderung sei es für ihn, Fachpersonal auszubilden und Mitarbeiter langfristig zu binden. Der Fachkräftemangel sei auch im Rettungsdienst akut. „Wir bieten hier flache Führungsstrukturen und unterstützen die Weiterentwicklung unseres Personals“, unterstreicht Richter. Die Ausbildung und Weiterbildung zum Notfallsanitäter stehe im Vordergrund. Zudem kann sich Richter vorstellen, mit dem DRK als Ausbildungspartner für ein Duales Studium zur Verfügung zu stehen.

Jentsch werde ihn dabei – wenn nötig – aus dem Ruhestand heraus unterstützen. Bei Fragen will er für die Kollegen weiterhin erreichbar sein, auch eine ehrenamtliche Tätigkeit für das DRK könne er sich vorstellen. Und sonst? „Ich werde viel reisen“, sagt der künftige Ruheständler. Für den Jahresanfang ist bereits der erste Urlaub gebucht. Aber auch ausgedehnte Wanderungen in Harz und Heide stehen fest auf der Programmliste. Zudem werde er seinen Kindern beim Hausbau helfen. „Da gibt es derzeit viel zu tun“, sagt Jentsch voller Vorfreude.


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